Stuttgart, 3. Februar 2021
Die Suchthilfe ist ein unverzichtbarer Teil unserer sozialen Hilfesysteme. In Baden-Württemberg gibt es 100 Suchtberatungsstellen, in welchen jährlich bis zu 60.000 Menschen Hilfe erfahren. Diese Suchtberatungsstellen sind ein Erfolgsmodell in der sozialen Hilfelandschaft. Viele der Hilfesuchenden wären ohne diese Unterstützungsleistungen nicht nur gesundheitlich stark gefährdet, sondern würden langfristig, z.B. durch Arbeitsplatzverlust, auch auf staatliche Transferleistungen angewiesen sein. Aktuelle Studien zeigen eindrucksvoll, wie durch jeden investierten Euro in die Suchthilfe 28 Euro öffentliche Gelder eingespart werden. Darum ist es kaum nachvollziehbar, dass diese Einrichtungen vielerorts auf eine finanzielle Notlage zusteuern. Suchthilfe ist systemrelevant und muss systematisch abgesichert werden.
Das Spektrum der Suchthilfe ist immens breit aufgestellt und ragt verästelt in viele andere Hilfebereiche hinein wie z.B. die Jugendhilfe, die Wohnungslosenhilfe, die Altenhilfe, die Straffälligenhilfe oder die Migrationsdienste. Die Suchthilfe ist frei zugänglich für alle Menschen mit Alkohol-, Drogen-, oder Glücksspielproblemen und deren Familien. Aber diese Hilfe steht auf tönernen Füßen. „Land und Kommunen bewegen sich bei der Finanzierung im Bereich der Freiwilligkeitsleistungen. Das bedeutet dauerhaften Stress um die Existenz für viele unserer 30 Mitgliedseinrichtungen, “ beteuert Dr. Jeanette Pohl, stv. Vorsitzende der Landesstelle für Suchtfragen. „Land und Kommunen müssen sich zur Suchthilfe bekennen und im Schulterschluss eine auskömmliche Finanzierungsstruktur vorlegen. Denn der Status der Freiwilligkeitsleistungen öffnet der Beliebigkeit Tür und Tor. Das kann nicht sein,“ warnt Pohl vor einer drohenden Notlage.
Dabei geht es letztlich um Männer und Frauen aller Altersstufen und quer durch die Gesellschaftsschichten, um Jugendliche und Heranwachsende und auch um Kinder aus suchtbelasteten Familien. In Baden-Württemberg muss man von 500.000 Menschen mit Suchtproblemen ausgehen. „Mit unseren Angeboten wie Beratung, offene Sprechstunden, Kontaktcafés oder Programmen zur Konsumreduzierung erreichen wir lediglich 10 Prozent dieser Menschen. Dabei wäre es so wichtig Suchtprobleme möglichst rechtzeitig anzugehen. Denn je früher umso erfolgreicher.“ weiß Oliver Kaiser, Geschäftsführer des Baden-Württembergischen Landesverbandes für Prävention und Rehabilitation. „Aber statt alles daran zu setzen, mehr Menschen zu erreichen, strampeln wir uns ab, um den Bestand zu sichern. Hier brauchen wir ein Umdenken der öffentlichen Hand“, fordert Kaiser.
Die Träger der Suchtberatungsstellen im Land, die fast zu hundert Prozent der freien Wohlfahrtspflege angehören, sind sich einig. Die zukünftige Landesregierung muss sich strukturell fragen, wieviel ihr die Suchthilfe wert ist. Ein weiter so, wie bisher, kann es nicht geben. Es braucht ein zukunftsfähiges Finanzierungsmodell zum Wohle der Betroffenen und zum Wohle Aller.
Wenn am 14. März 2021 eine neue Landesregierung in Baden-Württemberg gewählt wird, entscheiden die Bürgerinnen und Bürger auch darüber, wie die Sozialpolitik des Landes in den nächsten fünf Jahren aussehen wird. Die grundlegendste Form der Unterstützung, Beratung und Hilfe von Menschen in Notlagen leistet dabei die Soziale Arbeit als wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge. Die neue Landesregierung entscheidet, inwiefern diese Soziale Arbeit gerade auch in Pandemiezeiten die Teilhabe von benachteiligten Menschen ermöglichen und Gemeinnützigkeit aufrechterhalten kann. Im Rahmen des derzeitigen Wahlkampfs zum 17. Landtag in Baden-Württemberg nimmt die Liga-BW diese Fragestellungen zum Anlass einer politischen Kampagne und bringt damit klar zum Ausdruck: Soziale Arbeit ist wertvoll!