Migrant*innen zu unterstützen stärkt unsere Wertegemeinschaft
17 Feb

Stuttgart, 17. Februar 2021
Das Leben in Baden-Württemberg ist geprägt von einer Vielfalt an Traditionen, Kulturen, Religionen und Weltanschauungen, Sprachen, Lifestyles und individuellen Lebensentwürfen. Anlässlich der Landtagswahl am 14. März fordert die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg die kommende Landesregierung auf, diese Vielfaltsgesellschaft zum Ausgangspunkt ihrer Gesellschafts- und Sozialpolitik zu nehmen. Notwendig ist ein Paradigmenwechsel, so dass Vielfalt und Migration nicht einseitig als Hindernis und Problem gesehen werden. Diese Sichtweise stigmatisiert zugewanderte Menschen. „Wir sollten Vielfalt und Mobilität als normal, bereichernd und Teil einer sich ständig verändernden Gesellschaft begreifen. Dies ist der Schlüssel, damit unsere Gesellschaft zukunftsfähig, innovativ und produktiv bleibt“, so Mervi Herrala, Vorsitzende des Liga-Ausschusses Migration.

„Die Liga-Verbände beziehen sich in ihrer Sozialen Arbeit in den Einrichtungen und Diensten auf die Gleichheit aller Menschen, wie sie auch im Grundgesetz festgeschrieben ist. Wir wollen bewusst Zeichen setzen gegen eine Diskriminierung und Benachteiligung von Menschen und Gruppen“, erklärt Dr. Annette Holuscha-Uhlenbrock, Vorstandsvorsitzende der Liga Baden-Württemberg. In der Arbeit der Liga-Verbände spiegele sich dies in gleichberechtigter Teilhabe und Partizipation aller Menschen. „Und dies fördert den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.“

Dass jede Form von Ausgrenzung Ungleichheit befördert und Teilhabe erschwert, dies unterstreicht der Liga-Ausschuss Migration. „Wir müssen solche Prozesse analysieren und mit geeigneten Maßnahmen überwinden“, fordert Herrala. „Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte haben uns deutlich gezeigt, dass eine Integrationsbegleitung sowie eine noch so gute Integrationsleistung einzelner Menschen an ausgrenzenden und diskriminierenden Strukturen und Praktiken scheitern kann.“

Die Liga erwartet von der Landesregierung langfristige und nachhaltige Maßnahmen im Bereich der Gesellschafts-, Sozial- und Integrationspolitik. Zwei Forderungen hebt die Liga besonders hervor: Teilhabe ermöglichen und besonders Schutzbedürftige unterstützen.

Teilhabe ermöglichen

Für zugewanderte Menschen sind Bildungsinstitutionen, Arbeitsmarkt, Gesundheitsversorgung und Wohnungsmarkt zentral, damit sie gesellschaftlich teilhaben können. Sie wirken wie Teilsysteme, in denen Partizipation strukturell verankert ist.

Im Bildungsbereich geht es grundsätzlich um Bildungsgerechtigkeit und die Zuweisung von Ressourcen, damit etwa eine Sprachbildung und -förderung im Regelsystem möglich werden. Im Wohnungsmarkt hingegen braucht es eine Sensibilisierung, damit Vorurteile abgebaut und zugewanderte Menschen nicht weiterhin diskriminiert werden.  

Bei der Gesundheitsversorgung schließen rechtliche Regelungen wie das Asylbewerberleistungsgesetz geflüchtete Menschen aus und führen zu einer schlechteren Versorgung. Die Liga fordert deshalb die gänzliche Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Ausgebaut und finanziell sichergestellt werden müssen die Psychosozialen Zentren für Geflüchtete mit traumatischen Erfahrungen von Gewalt in den Herkunftsländern und auf der Flucht.

Beim Zugang zur Beschäftigung und zum Arbeitsmarkt konnten in den letzten Jahren deutliche Verbesserungen erzielt werden. So haben Zuwanderer inzwischen einen Anspruch, dass ihre beruflichen Abschlüsse auf Gleichwertigkeit hin überprüft werden. Als positiv wertet die Liga die vom Land bezuschussten Beratungszentren und vom Bund finanzierten Anpassungs- und Nachqualifizierungsmaßnahmen. Vorbildhaft bilden sie ein langfristiges, ineinandergreifendes Denken und Planen ab. Aus Sicht der Liga brauchen die Landesbehörden jedoch mehr personelle Ressourcen, um über die Anträge zeitnah entscheiden zu können. 

Grundlegend kontraproduktiv für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist es aus Sicht der Liga-BW, wenn Menschen nach ihrem Aufenthaltsstatus oder nach der prognostizierten Bleibeperspektive eingeteilt werden.  

Besonders Schutzbedürftige unterstützen

Mobilität und Wanderungen von Menschen geschehen häufig nicht freiwillig und selbstbestimmt. Vielfach haben sie ihre Ursachen in Verfolgung, Terror, (Bürger-) Kriegen oder elender Armut und fehlender Existenzperspektiven – auch vor dem Hintergrund der globalen Klimakatastrophen.

Die Liga-Verbände setzen sich für die Rechte und Belange der besonders vulnerablen Gruppe geflüchteter Menschen ein. Die Liga fordert eine großzügige und wohlwollende Aufnahme auf Bundesebene. Es ist notwendig, dass Familien zügig und unbürokratisch zusammengeführt werden. Außerdem braucht es zusätzliche humanitäre Landes­aufnahme­programme für Menschen, die an den Außengrenzen der EU gestrandet sind. Asylsuchende, die im Land aufgenommen wurden, sollen schnellstmöglich in dezentrale Unterbringungen verlegt werden, die integrierende Nachbarschaften ermöglichen. Sichergestellt werden muss auch eine unabhängige Verfahrens- und Sozialberatung, die im Sinne des Subsidiaritätsprinzips von unabhängigen freien und gemeinnützigen Trägern geleistet wird. Darüber hinaus braucht es Bleiberechtsperspektiven für Geflüchtete in Ausbildung und Studium sowie einen Zugang zu niedrigschwelligen Beschäftigungsmöglichkeiten als Einstieg in den Arbeitsmarkt für geflüchtete Menschen.