[Soziale Arbeit ist wertvoll]

Suchthilfe ist wertvoll

„Die drohende Kündigung meines Arbeitgebers ist das Beste, was mir passieren konnte. Sonst wäre ich nie zu Ihnen in die Suchtberatung gekommen,“ berichtet ein 46-jähriger Mann mit Alkoholproblemen, nennen wir ihn Herrn K.

Herr K. ist einer von 60.000 Menschen, die jährlich in Baden-Württemberg Hilfe und Unterstützung in einer Suchtberatungsstelle suchen und finden. 100 solcher Beratungsstellen gibt es im ganzen Land. Rund 500 Expert*innen arbeiten dort und stehen bereit, um Menschen wie Herrn K. zur Seite zu stehen. Er erfährt individuelle Information und Beratung, erkennt, dass seine gesundheitlichen Probleme auch mit seinem Alkoholkonsum zusammenhängen und vor allem, dass seine Eheprobleme ebenfalls damit zu tun haben könnten. Herr K. hat bald Vertrauen zu seiner Suchtberaterin gefasst und arrangiert eine gemeinsame Beratung mit seiner Frau. Dass er das schafft, ist für ihn ein Meilenstein in die Zukunft.

In Baden-Württemberg leben rund 500.000 Menschen mit Suchtproblemen. Hinter jedem Einzelnen steht eine Lebensgeschichte, die es wert ist, anerkannt zu werden und die jede Unterstützung bekommen sollte, um die Sucht hinter sich lassen zu können. Ob jung oder alt, beruflich etabliert oder arbeitslos, karriereverwöhnt oder gescheitert, in der Suchtberatung findet Jede und Jeder die Hilfe, die sie oder er braucht – und zwar kostenlos. Damit das möglich ist finanzieren die Kommunen und Landkreise die Suchtberatungsstellen – manchmal eher schlecht als recht. Ohne eine flankierende Landesförderung und den Eigenanteil der Träger der Wohlfahrtsverbände, könnten diese Angebote nicht aufrechterhalten werden.

Herr K. entscheidet sich für eine Suchttherapie. Er wählt gemeinsam mit seiner Frau eine Fachklinik aus, in der sie auch Paargespräche in Anspruch nehmen können. Außerdem will seine Frau auch eine sogenannte Angehörigengruppe in der Suchtberatungsstelle besuchen. In dieser Selbsthilfegruppe trifft sie Gleichgesinnte. Sie will endlich offen über ihre Ängste und Sorgen sprechen können, die durch das Suchtverhalten ihres Mannes bei ihr entstanden sind. Ihre Familie, sie haben einen 10-jährigen Sohn und eine 7-jährige Tochter, ist für sie das Wertvollste was sie haben und sie will alles tun, damit sie gemeinsam wieder auf eine gute Bahn kommen.

Selbsthilfegruppen – in Baden-Württemberg sind dies über Tausend – sind für viele Menschen mit Suchtproblemen eine wichtige Begleitung und Stabilisierung im Alltag, und für manche auch überlebenswichtig. „Hier erfahre ich aufrichtige Wertschätzung für mich als Person und auch für meine Entscheidung gegen die Sucht,“ erzählt Herr K., als er sich später, nach der Therapie, einer Selbsthilfegruppe anschließt. Die Selbsthilfegruppe unterstützt nicht nur im Alltag, sondern ist ein wertvolles gesellschaftliches Engagement, die Sucht zu enttabuisieren. Die Sucht findet mitten in unserer Gesellschaft statt, aber die betroffenen Menschen werden oft ausgegrenzt. Die Sucht ist eine Krankheit. Aber in den meisten Köpfen unserer Gesellschaft wird sie den Suchtkranken immer noch als Makel angehängt. Dieser Makel muss überwunden werden, damit Menschen mit einer Suchterkrankung ihr Selbstwertgefühl nicht verlieren.

Für diese Überzeugung setzten sich die Suchtberater*innen und Therapeut*innen unermüdlich ein. Ihr Auftrag geht weit über die Beratung, Begleitung oder Therapie der Betroffenen und deren Angehörige hinaus. Sie setzen sich für eine gesellschaftliche Wertschätzung der Menschen mit Suchtproblemen ein. Den größten Teil davon machen die Menschen mit Alkoholproblemen aus – ca. drei Viertel derer, die Hilfe in einer Suchtberatungsstelle suchen. Darüber hinaus finden Menschen, die Probleme oder eine Suchterkrankung entwickelt haben mit illegalen Drogen wie Cannabis, Amphetamine oder Heroin, den Weg in die Suchtberatung. Oft sind es jahrelange Begleitungen auf dem Weg aus der Sucht. Dies gelingt nicht immer. Dann begleiten die Fachkräfte die Menschen auf ihrem Weg mit der Sucht, z.B. mit Hilfe von Ersatzstoffen wie Methadon. Diese Behandlung ist zu einem wichtigen Bestandteil der Suchttherapie geworden und ist eine Erfolgsgeschichte, weil sie viele Menschen aus der Illegalität herausholt und wieder einen lebenswerten Alltag ermöglicht.

Überhaupt ist die Suchthilfe eine Erfolgsgeschichte. Denn sie sorgt dafür, dass Menschen ihren Arbeitsplatz behalten oder wieder einen neuen aufnehmen können, vermindert schwerwiegende Folgekrankheiten, Arbeitsunfälle, Frühberentungen, Verschuldungen und vor allem das menschliche Leid, das hinter jeder Suchtgeschichte steht. Und der Erfolg lässt sich sogar messen. Denn neueste Studien zeigen, dass jeder investierte Euro in die Suchthilfe 28 Euro an öffentlichen Geldern spart. Diese Erkenntnis gehört auf die politische Agenda. Denn die Suchthilfe steuert auf eine Notlage zu. Sie wird nur als freiwillige Leistung der kommunalen Daseinsvorsorge finanziert und bangt deshalb mancherorts von Jahr zu Jahr um ihre Existenz.

Die Suchthilfe ist für Menschen wie Herrn K. und seine Familie wichtig und wertvoll. „Durch die Therapie habe ich nicht nur meinen Job gerettet. Ich habe vor allem mein Selbstwertgefühl wieder gefunden. Das ist ungemein wertvoll für mich und meine ganze Familie,“ bilanziert Herr K.

Suchthilfe wirkt. Und als Gesellschaft und Solidargemeinschaft haben wir die Verantwortung, diese Hilfe zu garantieren. Unsere Wertvorstellung muss sich an der Würde des Menschen orientieren und darf Menschen mit problematischen Lebensverläufen wie einer Suchtentwicklung nicht ausschließen. Die Gesellschaft muss sich auch deshalb ihrer „Doppelmoral“ stellen. Das eine Suchtmittel wird beworben und gilt als Kulturgut, mit dem Konsum anderer Suchtmittel wird man straffällig. Die Illegalisierung von Suchtsubstanzen führt viele Menschen in eine prekäre Lebenssituation und kostet ganz nebenbei den Staat sehr viel Geld. Unser Ziel muss es sein, diese Widersprüche politisch und sozial zu überwinden und die Bewertung der unterschiedlichen Suchtmittel anzugleichen – in der Restriktion und in der Prävention. Die Landesstelle für Suchtfragen der Liga der freien Wohlfahrtspflege setzt sich in Baden-Württemberg dafür ein.

In Baden-Württemberg leben mehr als 500.000 Menschen mit einer Suchterkrankung.
[Am 14. März 2021]

Hast Du die Wahl

Die Suchthilfe wird nur als freiwillige Leistung der kommunalen Daseinsvorsorge finanziert - die Politik sollte aber für eine sichere Finanzierung sorgen.

[Aktuelles]

Pressemeldung

Suchthilfe ist wertvoll

Stuttgart, 3. Februar 2021Die Suchthilfe ist ein unverzichtbarer Teil unserer sozialen Hilfesysteme. In Baden-Württemberg gibt es 100 Suchtberatungsstellen, in welchen jährlich bis…